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Heaven Shall Burn haben gerade erst ihr neues Doppelalbum „Of Truth and Sacrifice“ herausgebracht. Mit großem Erfolg: Direkt charteten sie auf Platz 1 der deutschen Albumcharts und veranlassten Pietro Lombardi dazu auf den sozialen Medien über die „Rockergruppe aus dem nichts“ zu berichten. Ganz so unbekannt, wie er denkt, sind sie allerdings nicht – neben internationalen Charterfolgen und ausverkauften Touren, spielen sie auch auf allen großen Festivalbühnen dieser Welt.

Die Band vereint in ihrer Musik Hardcore-Elemente mit extremen Death- & Thrash Metal-Parts, sowie teils melodischen Hooklines. In ihren Texten werden unter anderem politische Themen, der Kampf gegen Rassismus und Faschismus sowie für Freiheit und gegen Überwachung, der Respekt gegenüber der Natur und Tierwelt angesprochen. Alle Bandmitglieder leben vegan oder vegetarisch und setzen sich aktiv für Tierrechte ein.

Gitarrist Maik Weichert erzählt uns im Interview, was uns auf dem neuen Album erwartet, warum er vegan lebt, welche Hürden es im veganen Touralltag gab und gibt Tipps für alle, die sich neu vegan ernähren möchten.

Ihr habt gerade erst euer neues Doppelalbum "Of Truth and Sacrifice" herausgebracht. Was erwartet uns darauf?

Maik Weichert: Wir haben mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre an genau diesem Album gearbeitet. Ich denke, es ist ein musikalisches oder zumindest metalisches Welttheater. Es spielen ganz viele Einflüsse eine Rolle, alle möglichen Spielarten, auch andere, härtere Musik. Wie immer bei Heaven Shall Burn (HSB) sehr ideologisch aufgeladen, mit vielen Themen, bei denen es sich lohnt, ein Stückchen weiter zu recherchieren. Dazu findet man im Booklet auch einige Anregungen. Ich denke, es lohnt sich für jeden, sich damit zu beschäftigen, wenn man auf Musik steht, die wirklich politisch etwas vermitteln will. Das ist natürlich nicht jedermanns Sache, oder man ist auch nicht immer in der Stimmung dazu. Hört am besten einfach mal rein und macht euch euer eigenes Bild!

Credits: Christian Thiele

Woher bezieht ihr die Inspiration für gesellschaftskritische, tierethische und politische Themen?

Maik Weichert: Die Impulse sind extrem unterschiedlich. Ein Punkt ist sicher der Geschichtsunterricht vor über 20 Jahren gewesen. Oder mein jetziges Studium der Kulturgeschichte. Manchmal inspirieren uns ganz spontan die Nachrichten oder ein Buch, das wir gerade lesen. Oft sind es auch Bandmitglieder, die da mal ein bestimmtes Thema ansprechen und fragen, ob das mal cool für einen Songtext wäre. Die meisten Themen kommen aus einem Grundinteresse an Politik und der Geschichte. Wir haben keine Fantasie-Texte oder etwas, das nur im Kopf entstanden ist – meist ist es dann schon ein Impuls von draußen. Etwas, das uns beeindruckt oder Wut erzeugt hat. Aber es kann auch eine Geschichte sein, die wir einfach wieder erzählen möchten.

In euren Songs geht es oft um Tierethik. Warum ist es euch so wichtig, die Stimme der Tiere zu sein?

Maik Weichert: Es ist bei uns gar nicht so sehr, dass das ein Punkt auf der Agenda ist. Es ist eine der wichtigsten Schattierung unserer gesamten Agenda. Ich kann das nicht getrennt sehen, wenn ich über die Umwelt, Toleranz, die Gesellschaft und über die Ausbeutung von Schwächeren rede. Da geht die Ausbeutung des Menschen für mich grenzenlos in die Ausbeutung der Tiere über und umgekehrt. Und die Zerstörung der Natur geht natürlich ohne Grenzen in die die Tötung und Vernichtung von Tieren und unseren Lebensräumen über. Das ist ein Gesamtbild, wie wir das immer betrachten.

Deshalb sehe ich das auch so, wenn wir einen Song über Toleranz, Leben und Leben lassen oder das Anprangern von Aggressoren schreiben, dann kann das im übertragenen Sinne natürlich auch die Fleischindustrie, genauso wie die Umweltverschmutzung durch ein Kraftwerk sein. Das explizit auf die Fahne schreiben spielt natürlich immer wieder eine Rolle, damit man den Architekten klarmacht. Aber für uns ist das immer eine Gesamtbetrachtung. Wir würden nie eine Aktion “Pro Tierrechte” machen, die zum Beispiel Minderheiten diskriminiert oder über das Ziel hinausschießt.

Maik Weichert von Heaven Shall Burn

"Es gibt Metzger, die coole Typen sind und auch Tierrechtler, die Arschlöcher sind."

Wie genau meinst du das?

Maik Weichert: Man kann nicht Toleranz gegenüber anderen Meinungen oder Schwächeren propagieren und auf der anderen Seite andere Leute, die nicht Aggressoren sind, angreifen. Es ist schwierig, hier eine Balance halten. Man sollte es lieber als Gesamtpaket und nicht isoliert sehen. Sonst hast du den Effekt, das man zu sehr pauschalisiert. Ich habe schon viele Leute getroffen, die total beeindruckt waren, wie viel wir für Tierrechte machen. Die Meisten waren cool, aber es gab leider auch einige, die am Ende dann totale Arschlöcher waren. Nur weil sie in diesem Bereich haargenau meiner Meinung waren, heißt das nicht, dass wir uns in allen Themen verstehen müssen. Es gibt Menschen, die sich damit profilieren und in 5 Jahren nicht mehr auf der Straße siehst, wenn es um Tierrechte geht.

Versteht mich nicht falsch – es gibt Metzger, die coole Typen sind und auch Tierrechtler, die Arschlöcher sind. Es ist leider nicht so, dass jeder Metzger ein Arschloch ist und jeder Tierrechtler ein cooler Typ. So einfach ist die Welt leider nicht.

Wie kam es bei dir zu der Entscheidung, vegan zu leben?

Maik Weichert: Ich komme aus Thüringen – das ist wirklich einer der Bratwurst-Ground Zeros der Welt und man wird hier mit Fleisch und Wurst großgezogen. Ursprünglich war das bei mir ein Stück Rebellion. Ganz am Anfang hatte das keine politische Dimension. Auch Umweltschutz hat damals keine große Rolle gespielt. Ich wollte einfach “anders” sein und wurde Vegetarier. Später kam aber auch die Musik dazu, und diese ideologische Komponente war da. Wenn das dazukommt, dann kommt man als Vegetarier, wenn man den Tierschutz und Umweltschutz-Gedanken dahinter sieht unweigerlich auf den Veganismus. Das war für mich eine ganz logische Konsequenz, das dann auch durchzuziehen. Das ist jetzt fast 25 Jahre her und seit dem ziehe ich das konsequent durch.

"Damals hat mich jeder wie einen Marsmenschen angeschaut. Heute weiß zum Glück jeder, was vegan bedeutet. In meinem Landkreis gab es damals in nur einem Laden Sojamilch zu kaufen. Heute gibt es diese an jeder Tankstelle."

Wie waren denn die Reaktionen aus deinem Umfeld darauf?

Maik Weichert: Damals hat mich jeder wie einen Marsmenschen angeschaut. Heute weiß zum Glück jeder, was vegan bedeutet. In meinem Landkreis gab es damals in nur einem Laden Sojamilch zu kaufen. Heute gibt es diese an jeder Tankstelle. Es ist toll, Menschen aufzuzeigen, dass man damit so lange gut leben kann und das es nicht nur eine Phase oder Spinnerei ist. Es ist wahnsinnig cool, dass es immer weiter in die Mitte der Gesellschaft rückt und es ist auch eine logische Konsequenz, dass die Menschheit immer weiter in diese Richtung denkt.

Wie schafft ihr es, euch im Touralltag und auf Reisen vegan zu ernähren?

Maik Weichert: Mit der steigenden Popularität von Veganismus waren die Veranstalter auch immer besser darauf vorbereitet. Es war nie ein großes Problem auf Touren etwas Veganes zu finden und auch die Caterer geben sich immer mehr Mühe.

Wenn ich allerdings an unsere erste Japan-Tour zurückdenke… da gab es zwei Wochen lang nur eine vegane Sushi-Sorte und “Baked Beans” zu essen. Oder bei unserer Südamerika-Tour waren wir gezwungernermaßen Frutarier. Da gab es natürlich leckeres Obst, aber ansonsten nicht viel drumherum. Insofern ist es in manchen Ländern immer noch eine Herausforderung, aber wenn man in einer relativ bekannten Band spielt, achten die Veranstalter immer darauf, dass gutes, vegans Essen bereit steht. Und selbst wenn man in einer nicht bekannten Band spielt und in AJZs und so weiter spielt, hat man meist das Glück, das hier grundsätzlich vegan gekocht wird.

"Wir wollen nicht nur “Preaching to the converted” betreiben, sondern auch die Menschen erreichen, die gar nicht unbedingt unserer Meinung sind."

Credits: Christian Thiele

Gibt es kontroverse Reaktionen, wenn neue Fans bemerken, dass ihr eine politische Band seid?

Maik Weichert: Wir könnten viel erfolgreicher sein, wenn wir manchmal die Schnauze halten würden. Das merkt man ganz deutlich.

Wir haben oft diesen Effekt, dass Leute auf Social Media kommentieren, wenn wir mal wieder zu einer Anti-AFD-Demo aufrufen oder ähnliches. Dann haben wir schon Kommentare wie “Gar nicht gewusst, wie ihr drauf seid und blablabla…”. Es gibt immer wieder Menschen, die überrascht sind, das HSB eine politische Band ist. Da fragt man sich dann schon “Unter welchem Steine habt ihr die letzten Jahre, in denen ihr uns gehört habt, gelebt?”

Aber wir möchten diesen Menschen auch keine Vorwürfe machen. Darum machen wir das ja auch. Wir wollen nicht nur “Preaching to the converted” betreiben, sondern auch die Menschen erreichen, die gar nicht unbedingt unserer Meinung sind.

Darum geht es uns hauptsächlich und da bekommen wir zum Glück auch viel positives Feedback. Wir sind in Metal-Szene nicht die einzige politische Band, aber schon relativ exotisch, da wir klar Stellung beziehen. Das wird selbst von denen, die nicht unserer Meinung sind, oft positiv gesehen, dass wir eine ganz klare Haltung haben.

"Als wir angefangen haben zu spielen, gab es Situationen, in denen Nazis Clubs stürmen wollten."

Habt ihr dann auch mit Konfrontationen außerhalb der sozialen Netzwerke zu tun?

Maik Weichert: Wenn du dich in Thüringen bei einer Grillparty als Veganer outest, ist es natürlich immer ein gefundenes Fressen für viele Idioten. Aber das würde ich nicht als Konfrontation bezeichnen – das ist dann eher ein Regenguss von Dummheit. An meinem Regenmantel perlt das ganz gut ab.

Ganz früher, als wir angefangen haben zu spielen, gab es Situationen, in denen Nazis Clubs stürmen wollten. Dann gab es da auch straßenkampfartige Szenen. Oft auch, wenn wir nur als Besucher auf anderen Konzerten waren. Aber dass das im alltäglichen Leben so konfrontativ auf einen niederprasselt ist eher selten – da wagen sich die Leute nicht aus der Deckung. Das findet er meistens nur im Internet statt.

"Also einfach mal mit einem alten veganen Haudegen einkaufen gehen. Selbst wenn du nicht Veganer bist, findest du viele coole, vegane Alternativen, die konventionellen Produkten in nichts nachstehen."

Welche Tipps kannst du denen geben, die es neu ausprobieren möchten, sich vegan zu ernähren?

Maik Weichert: Von null auf hundert vegan zu leben ist nicht einfach. Den Weg bin ich auch nicht gegangen. Manche Leute, die wissen, dass ich schon lange Veganer bin und mich damit beschäftige, haben mich immer wieder um Rat gefragt. Wenn man jemanden im Umfeld hat, der einen langsam ran führen und ein paar Tipps geben kann, ist das der beste Weg. Eine Art Coach. Die schönste Variante ist natürlich, sich in einen Veganer oder eine Veganerin zu verlieben – dann wird man über die Schiene herangeführt. Ich habe viele Bekannte, bei denen das so war und die dadurch darauf gekommen sind. Ansonsten ist natürlich auch jeder Mensch unterschiedlich. Für manche muss das ein direkter Cut sein und manche müssen sich über Jahre langsam rantasten. Das muss dann jeder für sich rauskriegen, wie seine Persönlichkeit stukturiert ist.

Also einfach mal mit einem alten veganen Haudegen einkaufen gehen. Selbst wenn du nicht Veganer bist, findest du viele coole, vegane Alternativen, die konventionellen Produkten in nichts nachstehen. Ich kenne so viele normale Fleischesser, die mittlerweile Hafermilch für den Kaffee und Alsan, statt Butter nehmen. Das finde ich eine schöne Entwicklung.

Wie geht ihr als Künstler mit der aktuellen „Corona-Situation“ um?

Maik Weichert: Es ist ja nicht so, dass man aktuell irgendeine Wahl hätte. Das ist ja das, was für viele Leute so schwer zu akzeptieren ist. Man steht vor vollendeten Tatsachen – es ist ein Kontrollverlust. Wir nutzen das Momentum und bereiten im Hintergrund viele Dinge auf, die wir sonst gerade nicht machen würden. Aktuell wären wir auf Tour gewesen. Da das nicht möglich ist, schauen wir ein paar Festplatten durch, was es noch an Behind the scenes-Materialien gibt. Damit machen wir ein paar coole Videos und bereiten den Re-Release einer Platte vor. Wir versuchen auch mit unseren Fans auf den sozialen Medien mehr zu interagieren. Da konzentrieren wir uns jetzt gerade darauf. Und natürlich haben wir mit unseren Jobs auch noch zu tun. Unser Sänger ist Intensiv-Krankenpfleger und hat aktuell natürlich einen sehr ausgefüllten Tag. Das ist alles natürlich nicht so gewinnträchtig, wie jetzt auf den Sommerfestival unterwegs zu sein, aber wir haben auf keinen Fall Langeweile.

"Unser Sänger ist Intensiv-Krankenpfleger und hat aktuell einen sehr ausgefüllten Tag."

Ihr geht trotz des großen Erfolgs alle noch „normalen“ Jobs nach. Welche sind das und wie vereint ihr das mit dem Bandleben?

Maik Weichert: Ja, genau, wir haben alle noch eine andere Beschäftigung. Unser Sänger ist Intensiv-Krankenpfleger. Unser Bassist ist Ergotherapeut. Unser anderer Gitarrist betreibt sein eigenes Musikstudio. Unser Drummer hat Lehramt studiert und arbeitet für ein Lernmittelunternehmen und ich studiere nebenbei. Mit dem Bandleben bekommen wir das gut koordiniert und sind da zum Glück sehr flexibel.

Wenn Heaven Shall Burn ein veganes Gericht wäre, welches wärt ihr?

Maik Weichert: Ein Thüringer Spezialitätenteller mit Klößen, die vegane Thüringer-Bratwurst von Wheaty, einem Seitansteak, gutem Sauerkraut, auf jeden Fall Rotkraut und viel Kuchen.

Was möchtest du zum Schluss noch unbedingt loswerden?

Maik Weichert: Kauft Alsan, statt Butter ;o)

Heaven Shall Burn-Videos

Die Band ist bekannt für eine impulsive Bildsprache und achtet auch in ihren Videos und bei Live-Auftritten stark darauf, eine politische Botschaft zu vermitteln.

Jetzt hier streamen:

Heaven Shall Burn online:

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