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Vor einiger Zeit besuchten wir „Amici sciuridae“ in Hamburg/ Altona.

„Amici sciuridae“ bedeutet „Eichhörnchenfreunde“ und besteht aus Eva und Dennis. Wer den beiden auf Instagram folgt, bemerkt schnell, dass es hier nicht nur um Cuteness-Overload-Content, sondern um das Überleben der kleinen Findelhörnchen geht.

Wir fragten sie bei unserem Besuch aus, was jeder von uns für Eichhörnchen tun kann und wie es so ist mit einem Haufen Eichhörnchen mitten in Hamburg zusammen zu leben.

Was hat euch zu diesem Abenteuer bewegt?

Als wir vor drei Jahren zusammen gezogen sind haben wir in der Nähe vom Küchenfenster einen Kobel entdeckt. Nachdem wir auf der Fensterbank ein paar Nüsse ausgelegt hatten kamen schon die ersten hungrigen Hörnchen zu Besuch. Wir beobachteten sie den ganzen Sommer über und konnten irgendwann auch einige identifizieren. Eins von ihnen, wir lernten ihn kennen als er noch recht klein war, fraß uns sogar direkt aus der Hand. Giuseppe, so nannten wir ihn, kam mitunter jeden Tag, so dass wir ihn fest ins Herz schlossen. Irgendwann stellten wir bei ihm so etwas wie partiellen Haarausfall fest und kontaktierten eine Wildtierstation in unserer Nähe.

Haben Sie die Möglichkeit, das Eichhörnchen vorbei zu bringen?“ – Lebendfalle bestellt, eingefangen, vorbeigebracht. In der Wildtierstation erfuhren wir von deren täglicher Arbeit und dass derzeit händeringend Eichhörnchenpäppler, wie es im Fachjargon heisst, gesucht werden. In der Zwischenzeit hatte sich Eva schon auf ihre Rente gefreut, in der sie sich als verrückte Eichhörnchen-Oma mit Grundstück im Wald sah, auf welchem sie tausende Eichhörnchen großziehen und auswildern wollte.

Dass das so schnell möglich wäre, auch in der Stadt, auf kleinstem Raum hätten wir natürlich nicht für möglich gehalten. Giuseppe setzten wir nach erfolgreicher Behandlung wieder zuhause im Hinterhof aus und Eva blieb für eine Woche auf der Station für ein ehrenamtliches „Praktikum“, um Know How zu sammeln für die Arbeit mit Hörnchen bei uns zuhause.

Wie kommt es dazu, dass es aktuell so viele Findelhörnchen gibt?

Die Findelhörnchen sind meist verwaiste oder verletzte Jungtiere. Die gibt es in der Zeit, in der Eichhörnchen Nachwuchs bekommen. Das ist je nach Nahrungs-verfügbarkeit oder der Temperaturen, in der Zeit von Februar bis August oder September. In der kalten Jahreszeit ist Winterruhe angesagt, nicht zu verwechseln mit Winterschlaf. Dann gibt es einfach Jahre, die sind kinderreichund welche, die es weniger sind. Witterung und Nahrungsverfügbarkeit sind da sicher wichtige Faktoren.

Was sind die Gründe, dass Eichhörnchen menschliche Hilfe brauchen?

Meistens werden Verletzte oder Babyeichhörnchen von Spaziergängern gefunden, weil sie schutzlos am Wegesrand liegen. Die Gründe dafür sind fast immer durch uns Menschen verursacht: Baumfällarbeiten bei denen die Kobel auf den Boden fallen. Hauskatzen, Vögel und Autoverkehr sorgen für lebensbedrohliche Verletzungen und Babies, die ihre Mütter verloren haben. Aufgrund des heissen trockenen Sommers ist es sicher auch hin und wieder vorgekommen, dass auch mal Mütter ihre Kinder verstoßen aus Selbsterhaltungsgründen.

Wie war es für euch, als ihr das erste Hörnchen bekommen habt?

Das Erste? Es waren gleich 9 Stück auf einmal, die Eva an ihrem ersten Tag in der Wildtierstation, mit nach Hause brachte. Dementsprechend wuselig gestaltete sich unsere Premiere. Eichhörnchen sollten so schnell wie möglich mit anderen Artgenossen zusammenkommen. Daher hat man im Optimalfall nie nur eins. Aber dann wird’s erst richtig spannend. Stell Dir vor, Du hast eine ganze Schar Eichhörnchen auf Dir rumspringen die alle denken Du bist ein Baum und deine Hände sind ist der Habicht. Das ist famos! Zudem hatten wir uns, die wilden Hörnchen im Hinterhof beobachtend, so viele Fragen gestellt: Wie es wohl aussieht wenn Eichhörnchen schlafen oder einfach nur blinzeln? Wie sie wohl miteinander spielen oder kommunizieren? Wir hatten unzählige Theorien. Wenn Du das dann zum ersten Mal in Echt siehst bist Du hin und weg!

Woher bekommt ihr euer Wissen und wer hilft euch, wenn ihr mal nicht weiter wisst?

Wie oben schon erwähnt, hat Eva ein ehrenamtliches Praktikum in einer Wildtierstation machen können und dadurch Kontakt zu einer Tierarzthelferin geknüpft, deren Spezialgebiet die Eichhörnchenaufzucht ist. Sie hat uns in ihr Team aufgenommen, in dem reger Austausch herrscht und sie selbst leitet uns bei sämtlichen Fragen an. Inzwischen tauschen wir uns auch bundesweit über Aufzucht und Behandlung über unseren Instagramaccount geknüpfte Kontakte aus. Eichhornfreaks gibt es wirklich überall, man glaubt es kaum.

Wie beeinflussen die Hörnchen euren normalen Alltag?

Wenn wir viele ganz junge Hörnchen haben die alle zwei Stunden gefüttert werden müssen kann es natürlich recht arbeitsintensiv werden: Wecker stellen, Nahrung zubereiten, Medikamente geben, Wiegen, füttern, usw. Aber wir sind ja zu zweit, da kann man sich das gut aufteilen. Grundsätzlich ist es jedoch ein Ehrenamt und wir versuchen die Kapazitäten innerhalb unseres kleinen Teams gut aufzuteilen und sich auch gegenseitig mal zu entlasten.

Wir haben uns schon dabei erwischt, wie wir uns aufgrund des Hörnchenansturms und dem sich schnell einstellenden Mitgefühl mit jedem Tier über unsere eigenen Kräfte hinaus übernommen haben. Der eigene Alltag leidet dann, genauso wie die eigene Gesundheit. Das musste sich erst einpendeln. Es ist allerdings immer wieder schwer eine klare Kapazitätsgrenze zu ziehen. Wenn man einmal so ein kleines durchgebracht und ausgewildert hat, möchte man am liebsten alle aufnehmen und in die Freiheit bringen. Das brauchte anfanges einiges an Disziplin auch mal NEIN zu sagen, das können wir einfach auch sonst nicht so gut. Grundsätzlich ist es glauben wir für fast jeden möglich, sich um Findelkinder zu kümmern, solange es mit dem eigenen Rhythmus kombinierbar bleibt.

 

Mit welchen Organisationen arbeitet ihr zusammen und wie finanziert ihr das Ganze?

Wir sind momentan (noch) in keinem Verein oder Naturschutzbund oder dergleichen und deshalb finanziell total auf uns allein gestellt. Langfristig können wir das natürlich nicht in dem Maße weitermachen ohne Unterstützung. Wir werden uns im Winter, der eichhörnchenfreien Zeit hinsetzen und weitere Pläne schmieden und ausarbeiten. Vielleicht einen Verein gründen, Gelder beantragen. In der Zwischenzeit haben wir schon ein paar kleinere Anläufe für alternative Spendensammelkonzepte die ein bisschen weiter gehen als „Wir stellen irgendwo eine Spendendose auf“ sind in Planung.

Z.B. ein kleines Partypaket mit Eichhorn-freundlichem Cocktail, dem „Eichhorn Sour“, gefolgt von einem kleinen DJ Set. Das möchten wir in ein paar lokalen Bars vorstellen und das eingenommene Geld für die nächste Eichhörnchensaison nutzen um Futter, Medikamente und hoffentlich eine eigene Auswilderungsstelle zu finanzieren. Gerne laden wir Euch an anderer Stelle ein, sollte das Konzept ankommen. Natürlich haben wir auch eine Online-kampagne über Betterplace gestartet. Ihr könnt uns gerne unterstützen:

https://www.betterplace.me/friendsofeichhorn

Wie ist ein typischer Tagesablauf mit Eichhörnchen?

Der Tagesablauf hängt immer von der Anzahl, Alter sowie dem Zustand der Hörnchen ab. Neuzugänge bekommen immer eine Standardbehandlung, sprich spezielle Medikamente -meist zweimal am Tag. Ganz kleine Hörnchen müssen teilweise alle 2-3 Std gefüttert werden und gerade bei kranken Kandidaten ist es wichtig öfter mal nachzuschauen um agieren zu können, sollte sich der Zustand verschlechtern. In solchen Fällen heißt es dann Transportboxen mit auf die Arbeit zu nehmen.

Wenn sie größer und gesünder sind und auch selber auf Nahrungssuche gehen kann man sie tagsüber problemlos alleine lassen und in der finalen Etappe, der der Zimmervoliere sind braucht man eigentlich nur noch für Wasser und Futter zu sorgen und am besten so wenig wie möglich in deren Nähe kommen damit sie ordentlich wild werden. Das fällt schon manchmal sehr sehr schwer. Bei den Babies ist es ziemlich wichtig, mit ihnen zu spielen und zu kuscheln. Sie brauchen Wärme und lernen beim Rumturnen auf einem auch ein bisschen zu klettern.

 

Was sollte man tun, wenn man ein Babyeichhörnchen findet oder ein Eichhörnchen hinterherläuft und Kontakt sucht?

Erstmal Keine Angst haben! Das Tier hat weder Krankheiten noch ist es sonst irgendwie gefährlich. Grundsätzlich suchen die Kleinen Hilfe und scheuen deshalb auch nicht den Menschen. Aber es kann durchaus noch sein, dass die Mutter in der Nähe ist. Deshalb schadet es auch nicht, einen Moment vor Ort zu bleiben, aber mit genügend Abstand. Während man wartet kann man ja schon mal im Internet gucken. Bundesweit gibt es Hotlines von Eichhörnchenschutzvereinen wie den Eichhörnchennotruf – die sind auch überregional vernetzt, können einen an die nächste Anlaufstelle vermitteln und sind in der Regel 24 Stunden erreichbar.

In der Zwischenzeit: Wärme spenden! Eine Flasche mit warmen Wasser füllen und in ein Handtuch wickeln funktioniert erst mal als „Notwärmflasche“. Je nachdem wie lange es dauert kann man das Eichhörnchen auch mit ein paar Millilitern handwarmen Fenchel-Anis-Kümmeltee mit einem Schuss Honig füttern – bloß niemals Kuhmilch geben, daran können die Tiere sterben! Die ersten Stunden oder gar Minuten sind unglaublich wichtig.

Was kann jeder Einzelne tun, um die Eichhörnchen aktuell zu unterstützen?

Wer selber Hörnchen im Hof, Garten oder Balkon hat, kann ihnen gerne etwas Futter und Wasser hinstellen. Im Sommer ist vor allem Wasser sehr wichtig, da nicht überall Wasserquellen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus werden heimische Früchte, Karotten, Melone, Hasel- und Walnusskerne und ganze Sonnenblumenkerne gern angenommen. Letztere sind im Baumarkt, sowie saisonbedingt, auch im Supermarkt für kleines Geld zu bekommen. Wenn es kälter wird, freuen sich die Tierchen auch über ganze Nüsse. Am besten ist das, was auch hierzulande wächst. Bitte keine Erdnüsse, die enthalten oft Schimmelpilze, und Mandeln sind wegen der Blausäure tödlich. Es gibt auch extra Futterstationen, sowie kleine Kästen zum Verstecken, die man gerne an einem nahgelegenen Baum aufhängen kann, wenn man sich etwas mehr Mühe machen will. Und generell: Die Stationen und private Hörnchenretter freuen sich natürlich immer über ein bisschen Geld- oder Futterspenden.

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